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Der Christ im Leiden
Franz Spirago - Katholischer Volkskatechismus
1914
Der Mensch kann leiden: am Leibe, an der Seele oder an beiden zugleich.
Die Apostel litten bei ihrer Geißelung am Leibe (Apg 5,41). Die Brüder
Josefs litten an ihrer Seele, als sie Josef so schwer prüfte (1. Mos.
42,21). Job litt in der Zeit seiner Prüfung am Leibe und an der Seele.
- Das Leiden kann entweder verschuldet oder unverschuldet sein. Das Leiden
des verlorenen Sohnes war eine Folge seiner Sünden. Der ägyptische
Josef und Job haben unverschuldet gelitten. Doch ist auch das unverschuldete
Leiden durch die Erbsünde verschuldet worden.
1. Ohne Leiden kann niemand
zur ewigen Glückseligkeit gelangen;
denn niemand wird gekrönt, der nicht zuerst gekämpft hat
(2. Tim 2,5).
Es gibt keine andere Brücke in den Himmel als das Kreuz (Abraham
a Santa Clara). Wahr ist das Sprichwort: Per crucem ad lucem (durch Kreuz
zum Licht). Dass der Weg der Leiden der Weg
zum Himmel ist, hat Christus angedeutet, indem er vom Ölberge, wo
er sein Leiden begonnen hat, in den Himmel auffuhr. Man beachte auch Christi
Worte zu den zwei Jüngern auf dem Wege nach Emaus: „Musste
nicht Christus dies leiden und so in seine Herrlichkeit eingehen?" (Lk
24,26). Niemand kann ein Königreich erwerben ohne Kampf und
Sieg; dasselbe gilt vom Himmelreich. Daher sagt Christus: „Wer
sein Kreuz nicht auf sich nimmt und mir nachfolget, ist meiner nicht Wert"
(Mt 10, 38). Der Weg zum Himmel ist rau. Die zukünftigen Bausteine
des himmlischen Jerusalems müssen hier behauen werden (hl. Fr. S.).
Soll aus dem Flachse, der auf der Erde wächst, weiße Leinwand
werden, so muss er geknetet, gerieben, ausgespannt, begossen werden; so
müssen auch wir viel leiden, bevor wir blendend weißer Leinwand
ähnlich werden (hl. Rup.). Die Garben nützen nichts, wenn nicht
der Drescher den Weizen herausschlägt; so hätten auch wir ohne
Leiden keinen wahren Wert. Durch Leiden schnitzelt Gott Engel aus uns (Kresz.
Höß v. Kaufb.). Wollten wir ohne Leiden selig werden, dann glichen
wir einem Menschen, der die Hand nach der Ware ausstreckt und keinen Kaufpreis
dafür bieten will (Tertull.). Wenn du nicht leiden willst, so ist
das ein Zeichen, dass du nicht selig werden willst (Gerson). - Daher sind
Vollkommenheit (Heiligkeit) und Leiden miteinander unzertrennlich verbunden.
Daher kein gutes Werk ohne Hindernisse, daher keine Tugend ohne Kampf.
Daher lässt Gott keinen Gerechten ganz ohne Leiden.
Gott handelt wie ein Arzt; die Kranken, an deren Aufkommen er verzweifelt,
lässt er ausnahmslos genießen; jenen aber, die er noch herstellen
kann, verbietet er manche Speise und gibt ihnen auch Medizin. „Wie die
Milch die Nahrung der Kinder, so ist die Widerwärtigkeit die Speise
der Auserwählten" (hl. Vinz. Fer.). Welcher Heilige wurde gekrönt
ohne Trübsal? Suche, und du wirst finden, dass jeder Kreuz und Leiden
erduldet hat (hl. Hieronymus). Gott hat seinen Auserwählten auf Erden
ein Schwert ins Herz und im Himmel eine Krone aufs Haupt beschieden (A.
Stolz). Wen Gott in sein Reich verpflanzen will, den gräbt er bei
Lebzeiten mit allen Wurzeln aus dieser Erde. - Gott
lässt jedoch den Gerechten im Leiden auch nicht ohne Trost. Gott
gleicht einer Mutter, die dem Kinde die bittere Medizin mit Zucker und
Honig vermischt; oder einer Mutter, die dem Kinde in der Krankheit schöne
Bilder vorzeigt, damit es seinen Schmerz nicht sehr fühle. „Gott webt
im Leben seiner Heiligen Trübsal und Freuden in wunderbarer Mannigfaltigkeit
zusammen" (hl. Chrys.). Das sehen wir schon im Leben der Mutter Gottes.
Welcher Kummer, als sie Josef verlassen wollte; welche Freude aber, als
sie Gott durch den zu Josef geschickten Engel rettete; welches Leid, als
sie zu Bethlehem keine Wohnung fand, welche Freude aber, als dann die Hirten
das Kind anbeteten und von der Erscheinung der Engel erzählten. Welche
Freude wieder, als die Hl. Drei Könige mit ihren Geschenken kamen
und vom wunderbaren Stern erzählten; doch welches Leid gleich darauf,
als sich die Nachricht von dem Mordplane des Herodes verbreitete und der
Engel die Hl. Familie zur Flucht nach Ägypten aufforderte. Welches
Leid, als sie Christus drei Tage lang nicht fand; welche Freude gleich
darauf, als sie die Schriftgelehrten über die große Weisheit
des Kindes staunen sah. Welches Leid, als sie das Leiden Christi sah, doch
welche Freude nach seiner Auferstehung. Die hl. Klara sagt: „Gott hat unter
den Disteln und Dornen soviel Süßigkeiten verborgen, dass wer
diese Lieblichkeiten auch nur einmal verkostet hat, die Dornen und Kreuze
gar nicht mehr bemerkt."
2. Alle Leiden sind Geschenke
Gottes und ein Zeichen der göttlichen Gunst.
Gott verursacht zwar die Leiden nicht selbst, aber er lässt
sie zu; sie geschehen also nicht gegen seinen Willen. - Wir finden regelmäßig,
dass umso mehr Leiden über einen Menschen hereinbrechen, je mehr er
gute Werke verrichtet. Man denke an Tobias, an Job. Die Leiden erscheinen
also gleichsam als eine Belohnung für verrichtete gute Werke. „Durch
Trübsale belohnt Gott die Dienste jener, die ihn lieben" (hl. Aloisius).
Der liebe Gott bietet seinen frommen Dienern Leiden für verrichtete
gute Werke an. Die Leiden sind eben ein gar zu kostbares Gut für die
Ewigkeit (Menschheit). Das ist schon an und für sich eine große
Belohnung, wenn man etwas für einen Gott leiden kann. Wer Gott liebt,
versteht, was ich sage (hl. Joh. v. Kr.). Leiden sind Geschenke unseres
himmlischen Vaters (hl. Ther.). Wen Gott leiden lässt, dem gibt er
mehr als dem, dem er die Gewalt verleiht, Tote zu erwecken (hl. Joh. v.
Kr.). - Die Eltern züchtigen ihre Kinder manchmal, um ihnen gewisse
Unarten abzugewöhnen. Sehen sie diese Unarten an fremden Kindern,
so kümmern sie sich nicht darum, weil sie um diese nicht besorgt sind.
Gerade so verhält es sich mit Gott. Die Kinder, die Gott lieb hat,
züchtigt er manchmal durch Leiden (A. Stolz). Daher sagt Raphael zu
Tobias: „Weil du angenehm warest vor Gott, musste
die Versuchung dich bewähren" (Tob 12,14).
Und der hl. Paulus spricht: „Wen der Herr
lieb hat, den züchtigt er; er schlägt jedes Kind, das er aufnimmt"
(Hebr 12,6). Gold und Silber wird durch das Feuer geprüft,
die Lieblinge Gottes im Ofen der Demütigungen (Sir 2,5). Sämtliche
Heiligen unserer Kirche hatten Leiden auszustehen; je größer
ein Heiliger war, umso mehr hatte er zu leiden. Maria, die Mutter Gottes,
hatte am meisten zu leiden; sie ist die „Königin der Märtyrer".
Auch die hl. Apostel hatten ungemein viel zu leiden. Petrus und Paulus
waren fast immerfort im Gefängnisse. „Es gibt kein sichereres Zeichen,
dass jemand zur Zahl der Auserwählten gehöre, als wenn er bei
frommem christlichem Lebenswandel durch viele Leiden und Trübsale
bedrängt wird" (hl. Aloisius). - Wer also gar keine Leiden hat, ist
schlimm daran. Daher sagt der hl. Augustinus: „Es gibt kein größeres
Unglück als das Glück der Sünder", und wieder: „Kein Kreuz
haben, ist ein großes Kreuz." Beständiges Glück ist Unglück.
Wer jetzt nicht leidet, der wird leiden.
Doch schickt Gott kein Leiden, das wir nicht ertragen können.
Der hl. Paulus sagt: „Gott aber ist getreu;
er wird euch nicht über eure Kräfte versuchen lassen" (1. Kor
10,13). Der ungebildetste Mensch weiß, was ein Lasttier zu
tragen imstande ist, und legt ihm nichts über die Kräfte auf.
Und Gott sollte uns mehr aufbürden, als wir tragen können? Nicht
einmal der Töpfer lässt die geformten Geschirre zu lange im Ofen,
damit sie nicht zerspringen (hl. Ephr.). Wer auf einem Instrumente spielt,
spannt die Saiten nicht zu sehr, damit sie nicht zerspringen, aber auch
nicht zu wenig, sonst würde keine Musik sein. So macht es Gott mit
den Menschen: Er lässt sie weder ganz ohne Leiden, noch ladet er ihnen
zu viel Leiden auf (hl. Chrys.).
Wie der Arzt dem Kranken keine so starke Medizin verschreibt, dass
dieser zugrunde gehen müsste, so weiß auch unser himmlischer
Arzt das Mittel der Trübsal so genau abzumessen, wie es den Kräften
der Gerechten entspricht (Lud. Gran.). Manche Leute haben keine Leiden,
weil sie auf die schwere Waage legen, was nicht zu wägen ist (Suso).
Sehr klagen im Leiden ist ein Zeichen von Feigheit.
3. Dem Sünder schickt Gott
Leiden, um ihn zu bessern und vom ewigen Tode zu retten.
Es bekehrten sich daher: der verlorene Sohn zur Zeit der Not, Jonas
im Bauche des Fisches, Manasses im Gefängnisse zu Babylon (2. Chr
33), der hl. Franz Borgias vor der Leiche seiner Gönnerin, der Kaiserin
Isabella (s. Spirago, Beispiele). - Gott gleicht einem Vater, der unfolgsame
Kinder mit einer Rute auf seine Befehle aufmerksam macht (hl. Bas.). Er
gleicht einem Wundarzte, der schneidet und brennt, um gesund zu machen
und vom Tode zu retten (hl. Aug.). Kleider, die sehr bestaubt sind, klopft
man mit einem Stocke aus; so klopft Gott durch irdische Leiden jene Menschen
aus, die voll der Sünde sind (hl. Th. Vill.). Die Leiden bewirken
zunächst, dass der Sünder einen Abscheu am Irdischen bekommt;
die Leiden machen ihm gleich Galle die sündhaften Freuden der Welt
bitter. Die Juden im Lande Ägypten ließ Gott so sehr prüfen,
damit sie ein umso größeres Verlangen nach dem gelobten Lande
bekämen. Ebenso sucht Gott uns durch Leiden und Trübsale heim,
damit wir die Lust und Freude an diesem Tränentale verlieren und mehr
den Himmel suchen. Der Sünder sieht ferner im Leiden seine Hilflosigkeit
und flieht zum Gebete. Die Not lehrt beten. „Die Leiden, die uns drücken,
nötigen uns, zu Gott hinzugehen" (hl. Gr. G.). Wenn wir von außen
geschlagen werden, kommen wir zur Selbsterkenntnis und zur Einsicht unserer
Sündhaftigkeit (hl. Gr. G.). Wie die Bäume nach dem Winter blühen
und Früchte ansetzen, so auch der Mensch nach der Trübsal (hl.
Bonav.). - Die Leiden sind also, wenn auch sehr beschwerlich, doch der
sicherste Weg zu Gott (hl. Ther.).
Insbesondere schickt Gott dem Sünder körperliche Krankheiten,
um dessen Seele gesund zu machen (hl. Isid.).
Bei vielen Menschen bewirkt auch tatsächlich die Krankheit
des Leibes die Gesundheit der Seele; so beim hl. Franz Assisi und beim
hl. Ignaz von Loyola. Gott heilt die Krankheit der Seele mit der Krankheit
des Leibes (hl. Gr. G.). Eine schwere Krankheit macht den Geist nüchtern
(Sir 31,2). Durch schmerzliche Krankheiten klopft der Herr an das Herz
des Menschen, damit er es ihm öffne (hl. Gr. G.). Die zärtliche
Mutter gibt dem Kinde bittere Arzneien, um es zu heilen. Ähnlich macht
es Gott mit den Sündern. Er züchtigt sie am Leibe, um so ihre
Seele zu retten. Die Menschen aber sind so töricht, das als eine Wirkung
seines Zornes anzusehen, was nur die Wirkung seiner Barmherzigkeit ist
(Maria Lataste). Ich freue mich alle Zeit, wenn ich einen Sünder erkrankt
sehe; denn die Krankheit führt zu Gott (hl. Ig. L.).
4. Dem Gerechten schickt Gott
Leiden, um ihn zu prüfen, ob er Gott oder das Geschöpf mehr liebe.
Job, der immer gottesfürchtig gelebt hatte, verlor sein ganzes
Vermögen, seine Kinder, seine Gesundheit und wurde noch dazu von seiner
Frau und seinen Freunden verspottet. Tobias hatte die Toten unter Lebensgefahr
begraben und sich außerdem durch seine Freigebigkeit arm gemacht;
da verlor er noch sein Augenlicht und war außerstande, sich etwas
zu verdienen. So prüft der liebe Gott! Zur Zeit des Sturmes zeigt
sich eben, ob ein Baum fest ist; und im Leiden, ob ein Mensch wahrhaft
gerecht ist. Wie der Wind, so zeigt auch das Leiden, was Spreu und was
Getreide ist (hl. Aug.). Wohlriechende Kräuter riechen am meisten,
wenn man sie zerdrückt; ähnlich verhält es sich mit den
tugendhaften Menschen (hl. Bonav.). - Gott nimmt uns gewöhnlich das
weg, was uns am liebsten ist. Dem Jakob entzog er seinen Lieblingssohn
Josef, dem Abraham befahl er, seinen einzigen Sohn Isaak zu opfern. Auch
pflegt uns Gott das wegzunehmen, was uns schädlich ist; er macht es
so wie ein Vater, der seinem Kinde ungeachtet des Weinens das Messer aus
den Händen reißt, womit es sich schneiden könnte (hl. Aug.).
Zugleich bringen die Leiden dem Gerechten einen großen Nutzen:
Sie dienen ihm dazu, die Sündenstrafen schon auf Erden abzubüßen;
sie reinigen ihn von vielen Unvollkommenheiten, sie vermehren seine Kraft
in der Ausübung des Guten, seine Gottesliebe, seinen Gebetseifer,
oft sein irdisches Glück und endlich seine Verdienste für den
Himmel.
Durch Leiden werden die Sündenstrafen abgebüßt.
Daher betete der hl. Augustinus: „Herr, hier brenne, hier senge, hier schneide,
nur schone meiner in der Ewigkeit!" Schätze dich glücklich, dass
du die schmerzhaften Peinen des Fegfeuers mit den Leiden auf dieser Erde
vertauschen kannst (hl. Fr. Xav.). - Die Leiden reinigen uns von Unvollkommenheiten.
Gott gleicht einem Weingärtner. „Jede Rebe,
die Frucht bringt, reinigt er, damit sie mehr Frucht bringe" (Joh 15,2).
Wie echtes Gold aus dem Ofen reiner hervorgeht, so der Gerechte aus dem
Leiden. Gott läutert uns, wie man Gold läutert (Zach. 13,9).
Das durchgesiebte Getreide ist reiner; ebenso der leidende Gerechte. Wie
das aufgewühlte Meer Unreinigkeiten auswirft, so der Gerechte, wenn
er durch Leiden beunruhigt wird. Was die Seife für den Körper,
ist das Leiden für die Seele. Eine scharfe Feile nimmt den Rost weg
und macht das Eisen glänzend (hl. Fr. S.). Um den Tüchern große
Feinheit zu geben, bedient man sich einer sehr scharfen Bürste
(hl. Fr. S.). Der Feile und der Bürste gleichen die Leiden. - Die
Leiden vermehren unsere Kraft. „Durch Leiden bekommt der Mensch größere
Stärke wie ein junger Baum durch Stürme festere Wurzeln" (hl.
Chrys.). Der Mensch wird im Leiden wie das Eisen unter den Hammerschlägen
fester. Auch wer mehr arbeitet, hat eine größere Körperkraft.
Der hl. Paulus sagt von sich: „Wenn ich schwach bin,
dann bin ich stark" (2. Kor 12,10). Wir werden deswegen durch Leiden
mächtiger, weil dabei unser Feind seine Kräfte verliert (hl.
Bern.). - Leiden vermehren unsere Gottesliebe. Wie die Arche Noahs durch
die Fluten nur noch mehr zum Himmel emporgehoben wurde, so wird auch in
den Gerechten die Gottesliebe durch Leiden nicht ausgelöscht, sondern
nur noch mehr angefacht (hl. Fr. S.). Dies kommt daher, weil die Leiden
unsere Anhänglichkeit ans Irdische, also die Weltliebe, gründlich
zerstören. Daher betete der hl. Aug.: „Ich bitte dich, o Herr, mach,
dass mir alles bitter werde, auf dass du nur allein meiner Seele süß
erscheinest." Leiden vermehren auch unsere Dankbarkeit gegen Gott; denn
Gesundheit und andere Gaben Gottes lernt man erst schätzen, wenn man
sie verloren hat. Leiden machen uns demütig. Es ist sehr notwendig,
dass der Gerechte von Schlechten geprüft werde, damit ihn seine Tugenden
nicht stolz machen (hl. Isid.). Prüfung und Leiden machen bescheiden.
- Leiden vermehren unsern Gebetseifer. Die Not lehrt beten. Das sehen wir
an den Aposteln im Schifflein zur Zeit des Sturmes. David betete am meisten
zur Zeit der Verfolgung; seine Psalmen sind noch heute das Gebet der Kirche.
Lange Ruhe macht sorglos und schlaff. Wenn das Wasser nicht fließen
kann, so wird es faul, und die Fische darin gehen zugrunde; auch eine Seele,
die nicht durch Leiden bewegt wird, wird träge im Guten und verliert
allmählich ihre Tugend (hl. Amb.). Der Fisch, der nicht eingesalzen
ist, wird faul; das Pferd, das nicht mit den Sporen angetrieben wird, geht
langsam; ähnlich verhält es sich mit dem Menschen, der kein Leiden
hat. - Leiden vermehren oft unser irdisches Glück. Josef wäre
nie König geworden, wenn er nicht verkauft und ins Gefängnis
geworfen worden wäre. Dem Job ersetzte Gott alles wieder, weil er
so geduldig war. Auch dem Tobias gab er das Augenlicht wieder. Der liebe
Gott schlägt und heilt gleich wieder (Tob 12,2). - Leiden vermehren
endlich auch unsere künftige Seligkeit. Gott sandte dem armen Lazarus
deswegen so schwere Leiden, um ihn nach dem Tode verherrlichen zu können
(hl. Gr. G.). Unsere gegenwärtige Trübsal, die augenblicklich
und leicht ist, bewirkt eine überschwängliche, ewige, alles überwiegende
Herrlichkeit in uns (2. Kor 4,17). Mit den Gerechten verhält es sich
so, wie mit den Edelsteinen; diese werden durch das Schleifen schöner.
Der Gerechte reift durch Leiden ebenso für den Himmel, wie die Ähre
durch die Sonnenhitze reif wird. Wenn uns der Herr große Trübsale
sendet, so ist das ein Zeichen, dass er große Absichten mit uns hat
und will, dass wir heilig werden sollen (hl. Ign. Loy.). Je mehr wir in
dieser Welt leiden, umso größer wird in der künftigen unser
Lohn sein (hl. Hier.). Gehörst du zu den Leidenden, dann gehörst
du zu den Auserwählten (hl. Aug.). Allen denen, die Gott lieben, gereicht
alles zum Besten (Rom 8,28). Überlass dich, soviel du nur kannst,
den Führungen Gottes! Denn er lässt nichts über dich
kommen, was dir nicht nützlich wäre, wenn du es auch nicht einsiehst
(hl. Aug.). Was dem Weinstock das Schneiden, - das ist dem Menschen das
Leiden. - Was dem Golde der Hammer, -das ist dem Menschen der Jammer.
5. Die Leiden sind also keine
wahren Übel, sondern vielmehr Wohltaten Gottes; denn sie tragen bei
zu unserm zeitlichen und ewigen Glücke.
Welcher Landmann würde das für ein Übel halten, wenn
ein Hagel von Diamanten auf sein Feld fiele und die Ernte vernichten würde.
Etwas Ähnliches findet aber statt bei Leiden, die Gott schickt; wir
erleiden keine wahren Verluste, sondern sind noch gut daran (Wen.). Was
wir für ein Übel halten, das ist Arznei (hl. Hier.). Gott, der
uns unendlich liebt, hat in allem nur die Absicht uns glücklich zu
machen (hl. Fr. Bor.). Es gibt kein anderes Übel als die Sünde
(hl. Gr. Nz.). Durch Leiden wird uns gleichsam ein eigenes Sakrament erteilt,
nämlich ein sichtbares Zeichen einer unsichtbaren Gnade (hl. Mecht).
Aber auch hier gilt der Spruch: Im
Kreuz ist Heil. - Die Leiden können uns daher nie wahrhaft
unglücklich machen; der Mensch kann trotz seiner Leiden überaus
glücklich sein. Das zeigt die Lebensgeschichte eines Job, eines Tobias.
Auch der hl. Paulus ruft mitten im Leiden aus: „Vor
Freude ströme ich über in all meiner Trübsal" (2. Kor 7,4).
6. Wir sollen daher im Leiden
geduldig und in den Willen Gottes ergeben sein, ja wir sollen uns sogar
im Leiden freuen und Gott dafür danken.
Wir sollen sprechen wie Job: „Wie es dem Herrn
gefallen, so ist es geschehen; der Name des Herrn sei gebenedeit!" (Job
1,21), oder wie Christus auf dem Ölberge: „Nicht mein, sondern
dein Wille geschehe!" (Lk 22,42). Wir sollen so sein, wie ein vernünftiger
Kranker; dieser fügt sich willig den Anordnungen des geschickten Arztes.
Oder wir sollen sein wie ein vernünftiger Wanderer; dieser folgt gern
dem erfahrenen Führer trotz der Beschwerlichkeit des Weges. „Gott
hat uns ja die Ertragung der Leiden erleichtert, nicht nur durch sein Beispiel,
sondern auch durch die Verheißung eines ewigen Lohnes" (Leo XIII.).
Der Mensch mache daher aus der Not eine Tugend (hl. Ph. N.). Man bedenke,
wie sich die Apostel freuten über die Geißelung (Apg 5,41).
Der Christ soll sich im Leiden ebenso freuen, wie ein Handwerker, der viel
Arbeit hat und weiß, dass er dafür einen großen Lohn bekommt
(hl. Chrys.). Der Landmann freut sich, wenn er schwitzt, auf die zukünftige
Ernte; der Kaufmann beachtet nicht die Unannehmlichkeiten der Seereise
wegen des zu hoffenden Gewinnes; ebenso soll sich der Christ in Trübsalen
freuen auf den zukünftigen Lohn (hl. Chrys.). Wenn ein Stein Verstand
hätte, so möchte er sich freuen, dass er in die herrliche Statue
eines Königs verwandelt wird; umso mehr sollen wir uns freuen, wenn
wir durch Trübsale veredelt werden (Corn. a. L.). Die Leiden muss
man so anfassen wie Brennnesseln, nicht gelinde und zaghaft, sondern fest
und herzhaft; dann schaden sie nicht. Im Leiden sollen wir so wie Glas
beim ersten Stoß brechen (hl. Chrys.). Sprich daher auch beim geringsten
Leiden: „Die Ehre sei dem Vater und dem Sohne und dem Hl. Geiste" usw.
- Leider aber sind manche Menschen im Leiden mürrisch und ungeduldig.
„Verlangt ein Mitmensch die geborgte Sache zurück, so danken wir ihm;
verlangt sie aber Gott zurück, so murren wir oft" (hl. Fr. Borg.).
Manche Menschen gleichen Soldaten, die nur im Frieden Gott dienen wollen,
im Kriege aber entfliehen. Wer im Leiden ungeduldig ist, der richtet durch
seine Ungeduld nichts aus; er leidet doppelt und beleidigt Gott. Dem Ungeduldigen
ergeht es wie einem an der Angel gefangenen Fische, der sich losreißen
will; er verwundet sich noch mehr. Doch ist es keineswegs Sünde, im
Leiden zu weinen oder betrübt zu sein; denn auch Christus hat geweint
und war auf dem Ölberge betrübt. Verzage nicht in trüben
Tagen, denn Freude folgt auf Leid und Klagen.
Durch Geduld im Leiden gelangen wir schnell zu hoher Vollkommenheit
und sammeln uns große Verdienste.
Wenn wir uns in den Widerwärtigkeiten des Lebens geduldig in
den Willen Gottes ergeben, so kommen wir im geistlichen Leben ebenso schnell
vorwärts, wie ein Schiff auf dem Meere, das in der Richtung des Stromes
oder des Windes fährt (Wen.). Wer sich bei seinem Leiden zufrieden
in den Willen Gottes ergibt, eilt Gott mit geflügelten Schritten entgegen
(Alvarez). Selig der Mann, der die Anfechtung aushält; denn wenn er
ist bewährt worden, wird er die Krone des Lebens empfangen (Jak 1,12).
Aus der Bereitwilligkeit, zu leiden, kann man schließen, wie
weit ein Mensch in der Vollkommenheit vorwärts geschritten ist.
Den Wohlgeruch des Weihrauches erkennt man, wenn dieser angezündet
wird; so auch die Tugend eines Menschen im Leiden (hl. Gr. G.). Auch die
Tapferkeit eines Kriegers zeigt sich nicht im Frieden, sondern im Kriege
(hl. Chrys.). Der Sünder murrt im Leiden, der Anfänger betrübt
sich, bereut aber gleich seine Ungeduld; der Vorgerückte erschrickt,
fasst aber gleich Mut und lobt Gott; der Vollkommene wartet nicht nur auf
das Leiden, sondern geht ihm mutig entgegen (Fr. S.). Die zur Vollkommenheit
gelangt sind, bitten den Herrn nie, dass er sie von Versuchungen und Trübsalen
befreie; denn sie verlangen danach und schätzen sie so sehr, wie die
Weltleute Reichtum, Gold und Edelsteine (hl. Ther.). Den Gerechten ist
die Trübsal eine Freude und kein Kummer (Kard. Hugo). Deshalb war
der Spruch der hl. Theresia und vieler anderer Heiligen: „Herr, entweder
leiden oder sterben." - „Wer es vermag, Gottes Hand zu küssen, sowohl
wenn sie die Wohltaten austeilt, als auch wenn sie züchtigt, der hat
den Höhepunkt der christlichen Vollkommenheit erreicht und wird sein
Heil im Herrn finden (hl. Fr. Sal.).
(Quelle: "Dienst am Glauben", Heft 4 - 2015, S. 107-114, A-6094 Axams)