(Zur besinnlichen Lesung und Betrachtung der Liebe Gottes) |
Aus
dem Werk „Geheimnisreiche Stadt Gottes" der durch besondere Charismen und
Schauungen ausgezeichneten Ehrwürdigen Dienerin Gottes
Maria
von Agreda (+ 1665) aus dem Orden der unbeschuhten
Franziskanerinnen von der Unbefleckten Empfängnis.
I.
Die Unbefleckte Empfängnis der Allerseligsten Jungfrau Maria
Alsbald
wurde den heiligen Engeln der göttliche Ratschluß geoffenbart
und der Willensentschluss des Allerhöchsten kundgetan.
1.
Der heilige Erzengel Gabriel warf sich in tiefster Anbetung vor dem Thron
der Allerheiligsten Dreifaltigkeit nieder. Und vernahm den Auftrag: Erleuchte,
stärke und tröste Joachim und Anna! Bring ihnen die Verheißung,
daß Anna empfangen und eine Tochter gebären wird, der wir den
Namen Maria geben.
Unverzüglich
erschien der Erzengel Gabriel dem heiligen Joachim im Gebete und erfüllte
den Auftrag, der ihm gegeben war: Deine Tochter wird die Wolke sein, welche
den Tau des Himmels herabträufeln wird zur Erquickung der Sterblichen.
In ihr werden die Prophezeiungen der Väter erfüllt.
2.
Die Zeit war gekommen, in welcher jene wunderbare mit der Sonne umkleidete
Frau nach dem göttlichen Ratschluß erschaffen werden sollte.
Darum beschloß die Heiligste Dreifaltigkeit, eine Seele zu schaffen;
und zwar in der Weise, daß die Sünde Adams sie weder verletze
noch berühre. Sie wird dem Drachen den Kopf zertreten.
Sie wird das ewige Wort mit menschlichem Fleisch bekleiden. Nun ist für
die Sterblichen die selige Stunde gekommen, in der wir die Schätze
der Gottheit über sie ausgießen und die Pforte des Himmels öffnen
wollen. Jetzt soll das Menschengeschlecht den Erlöser, Lehrer, Mittler,
Bruder und Freund erhalten. Er sei das Leben der Toten, der Trost der Trauernden,
die Ruhe der Bedrängten.
3.
Auftrag der Heiligen Dreifaltigkeit an die heiligen Engel: Es ist unser
Wille, daß ihr dieser unserer heiligen Stadt,
dem Zelt des menschgewordenen Wortes, eine ganz besondere Sorge zuwendet,
sie zu beschützen, zu begleiten und vor ihren Feinden zu verteidigen;
sie zu stärken und zu trösten.
Hierauf
bezeichnete der Allerhöchste jene Engel, welche sich mit so erhabenen
Diensten befleißigen sollten, damit sie die Botschaften vermitteln,
welche die Königin an den Herrn und dieser an sie absenden würden.
Nachdem
nun der Herr beiden Eltern Joachim und Anna hatte verkünden lassen,
daß er ihnen eine Tochter schenken werde, wunderbar und gebenedeit
unter den Frauen, ward das Werk der Empfängnis des reinsten Leibes
vollzogen. Die Kraft des Allerhöchsten nahm alles Unvollkommene und
Ungeordnete von ihr weg: War sie auch in ihrer Weise natürlich, so
war sie doch durch Gottes Gnade vervollkommnet.
4.
Bei Gestaltung des jungfräulichen Leibes der allerseligsten Jungfrau
hat Gottes Allmacht mit umso größerer Sorgfalt gewirkt, als
diese nicht bloß die Stammeltern, sondern alle übrigen körperlichen
und geistigen Geschöpfe zusammen weit übertraf.
a)
Menschlich gesprochen hat Gott auf die Gestaltung des Leibes seiner allerseligsten
Mutter mehr Sorgfalt verwendet als auf Erschaffung aller Himmelskreise
und was sich darin befindet.
b)
Im Augenblick der Erschaffung und Eingießung der Seele der allerseligsten
Jungfrau sprach die Allerheiligste Dreifaltigkeit ähnlich wie bei
Erschaffung des ersten Menschen, doch mit weit größerer Liebe,
die Worte: Lasset uns Maria schaffen, nach unserem Ebenbild und Gleichnis,
unsere wahre Tochter und Braut, auserwählt zur Mutter des Eingeborenen
aus dem Wesen des Vaters.
c)
Im Augenblick der Erschaffung und Eingießung der Seele der Allerseligsten
Jungfrau Maria wurde sie mit allen Gnaden und Gaben erfüllt, so daß
es keinen Augenblick gegeben hat, in welchem sie des Lichtes, der Freundschaft
und der Liebe ihres Schöpfers entbehrte. Makel und Finsternis der
Erbschuld konnte sie nie berühren; vielmehr besaß sie stets
die Gnade, im höchsten und vollkommensten Maße.
Ich
muß gestehen (schreibt Maria von Agreda), daß ich, beim Schauen
dieses Geheimnisses entzückt, unvermögend bin, es näher
zu erklären: Ich sehe die wahre Arche des Bundes (Maria) gebaut. Ich
sehe im Allerheiligsten den Altar errichtet, auf dem das erste Opfer dargebracht
werden soll.
5.
Ich sehe, wie eine neue Erde und ein neuer Himmel geschaffen wird! Tausend
Engel sind bestimmt, um den Schatz dieses beseelten Leibes zu bewachen.
a)
Als die Seele der Himmelskönigin ihrem Leib eingegossen wurde, ward
ihre Mutter, die heilige Anna, mit dem Heiligen Geiste erfüllt.
b)
Ihr Inneres wurde mit einem alle gewöhnlichen Kräfte übersteigenden
Jubel der Andacht erfüllt, andauernd in jenen neun Monaten, da sie
den Schatz des Himmels in ihrem Schoße trug.
c)
Der Strom der göttlichen Gnade, durch welche der Herr diese seine
geistliche Stadt (die heiligste Seele Mariens) erfreute, nahm seinen Ursprung
in dem Quell der unendlichen Weisheit und Liebe Gottes.
Dies
tat der getreueste Herr, indem er im Augenblick der Empfängnis in
die heiligste Seele Mariens alle Gnaden und Gaben in so hoch erhabenem
Grade ausgoß, daß keine menschliche Zunge imstande ist, solches
auszusprechen.
II.
Die gnadenreiche Geburt der Allerseligsten Jungfrau Maria
Der
für die Welt so gnadenreiche freudvolle Tag, an welchem die heilige
Anna gebären sollte, brach an; der Tag, an welchem jenes Kind das
Licht der Welt erblicken sollte, welches dazu bestimmt war, Mutter Gottes
zu werden.
In
demselben Augenblick, in welchem Maria, unsere Königin, geboren wurde,
sandte der Allerhöchste den heiligen Erzengel Gabriel in die Vorhölle
mit dem Auftrag, den heiligen Altvätern die ihnen so erfreuliche Nachricht
zu bringen, daß der von den Propheten vorausgesagte Tag anzubrechen
beginne. Bald würden sie das Heil schauen und die Herrlichkeit des
Herrn. Diese Nachricht erfüllte alle Seelen in der Vorhölle (Vorhimmel)
mit geistiger Freude. Sie lobten und priesen Gott mit neuen Lobliedern.
1.
Maria war bei ihrer Geburt rein, makellos, schön und voller Gnaden.
Es war Mitternacht, als dieser erhabene Morgenstern aufging und die Nacht
des Alten Bundes vom anbrechenden Tag der Gnade zu scheiden begann. Wie
ein Kind wurde diejenige gepflegt, welche alle Menschen, ja selbst alle
Engel an Weisheit übertraf. Die heilige Anna nahm das Kind in ihre
Hände; dieses Kind, das ihre Tochter und zugleich der größte
Schatz des Himmels und der Erde war. Denn es war geringer nur als Gott,
höher aber als die ganze Schöpfung.
2.
Mit glühender Andacht und unter Tränen opferte Anna das Kind
der göttlichen Majestät mit Worten der Anbetung und des Dankes
auf. Nun begann der mächtige Arm des Allerhöchsten neue Wunder
zu wirken:
a)
Das erste war, daß Gott unzählige Engel absandte mit dem Auftrag,
die erkorene Mutter des ewigen Wortes mit Leib und Seele in den Himmel
hinaufzutragen, damit an ihr geschehe, was der Herr beschlossen hatte.
b)
Die heiligen Himmelsfürsten nahmen das Kind Maria von den Armen seiner
heiligen Mutter Anna und ordneten eine feierliche Prozession, in welcher
sie die „wahre Arche des Neuen Bundes" emportrugen, damit sie eine Zeitlang
aufgestellt werde im Tempel des höchsten Königs, des Herrn der
Herren, allwo sie später für die ganze Ewigkeit aufgestellt werden
sollte. Das war der erste Schritt, den die heiligste Jungfrau in ihrem
Leben gemacht hat: von der Welt hinauf zum Himmel.
c)
Wer wäre wohl imstande, die Freude und die Bewunderung zu schildern,
mit der die himmlischen Geister erfüllt wurden, als sie dieses nie
gesehene Wunderwerk des Allerhöchsten schauten! Allda haben sie Maria
als ihre Königin und Herrin anerkannt und ihr gehuldigt; war sie ja
auserwählt zur Mutter desjenigen, welcher ihr Haupt sein sollte und
der Urheber der Gnade und Glorie war, die sie besaßen.
3.
Auf den Händen der Engel ging das Kind Maria in den Himmel ein. Von
der Seligkeit, welche das Kind Maria in dieser Vision genoß, war
nur derjenige Zeuge, der ein so unerhörtes Wunder gewirkt hat.
Unter
Jubel und mit größter Ehrfurcht brachten dann die heiligen Engel
das Kind in die Arme seiner Mutter zurück.
Dies
also war eine Geburt, wie die Welt eine ähnliche bis dahin nicht erlebt
hatte. Dies war die gnadenreichste Geburt, denn sie brachte der Welt ein
Kind, das nicht bloß unbefleckt von jeder Makel der Sünde, sondern
reiner und heiliger war als die höchsten Seraphim.
(Quelle:
"Dienst am Glauben" 4/2007, Innsbruck, S: 103ff.)
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