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Wir wollen dem Herrn, der von der Erde scheidet und zum Vater geht,
gleichsam unsere Bitten mitgeben. Wir wollen ihm unsere Anliegen anvertrauen,
damit er sie bei seiner Heimkehr dem Vater ans Herz lege. Darum fordert
die Kirche uns auf, sich mit ihr zu vereinigen im Flehen um Hilfe für
uns selbst, für unsere Angehörigen, für unser Volk und für
die ganze Christenheit. Christus selbst fordert uns ja auf zu vertrauensvollem
Bittgebet. „Wenn ihr den Vater in meinem Namen um
etwas bitten werdet, wird er es euch geben. Bittet, so werdet ihr empfangen!" Viele Menschen haben den Wert des Gebetes nicht begriffen. Es gibt
auch Christen, die das Gebet als halbe Zeitverschwendung ansehen. Und doch
ist es gerade das Gegenteil. Es ist Kraftsammlung.
Noch nie ist im Reiche Gottes etwas Großes geschehen, ohne dass es
durch Gebet vorbereitet und begleitet worden wäre. Beten ist der Atem
der Seele. Wenn der Atem stockt, setzt das Herz aus. Wir haben das Gebet
nötig, weil wir Gott nötig haben. Beten ist nämlich ein
Brückenschlag zu Gott. Beten ist ein geistiges Aufschauen aus der
Tiefe zum göttlichen Licht. Beten ist ein Rasten am Herzen Gottes,
ein Sich-Beraten mit einem uns verstehenden Freund, eine Kinderbitte um
den Vatersegen, ein Kraftschöpfen aus unerschöpflicher Brunnentiefe.
Vom heiligen Augustinus stammt das schöne Wort: „Nur
der weiß recht zu leben, der recht zu beten versteht." Nur
der weiß recht zu leben, der recht zu beten versteht. Im heutigen Evangelium mahnt uns der Herr
zum Bittgebet, eine besondere Form des Gebetes. Er will, dass wir flehen
und uns an ihn wenden. Er wartet auf unseren Hilferuf. Wir dürfen
ihn anrufen. Das ist ein Glück, meine lieben Freunde. Was wäre
es schrecklich, wenn Gott ein Gott ohne Ohren wäre, wenn Gott ein
Gott wäre, zu dem wir uns nicht wenden dürften. Wie wäre
unser Leben dunkel und hoffnungslos, wenn Gott uns so fern bliebe, dass
unsere Stimme nicht zu ihm hindringen könnte! Es gibt Menschen, die
meinen, ein Bittgebet sei des Menschen unwürdig. Man solle sich durch
Arbeit sein eigenes Auskommen und Verdienst verschaffen. 0 ja, das ist
nicht falsch. Im irdischen, im natürlichen Bereich sollen wir arbeiten.
Es heißt nicht umsonst: „Bete und arbeite!" Und der heilige Ignatius
hat es noch deutlicher ausgedrückt: „Bete so, als ob alles vom Gebet
abhinge, und arbeite so, als ob alles allein von der Arbeit abhinge!" Wir brauchen aber auch das Gebet, weil wir schwach und hilfsbedürftig
sind. Wir bedürfen des Segens, weil wir mit unserer Kraft oft am Ende
sind. Es soll sich Gottes Gnade mit unserer Kraft
vereinigen. Das ist der Sinn des Gebetes. Wir sollen nicht durch
das Gebet unsere Bemühungen ersetzen, sondern wir wollen damit eine
Brücke schlagen, auf der Gottes Gnade zu uns herabsteigt, damit sich
die göttliche Kraft mit unserer menschlichen Schwachheit verbinde. „Bittet, so werdet ihr empfangen!"
spricht Jesus. Er sichert uns also die Erlösung zu. Aber widerspricht
diese Versicherung nicht unserer Erfahrung? Haben wir nicht schon oft gebetet,
ohne erhört zu werden? Beachten wir, dass der Herr seiner Versicherung
eine Bedingung beisetzte: „Wenn ihr in meinem Namen
bittet!" Im Namen Jesu bitten heißt erstens unter
Anrufung des Namens Jesu bitten. Es ist dies der süßeste, der
beglückendste aller Namen. Es ist dies der mächtigste, der kraftvollste
aller Namen. Im Namen Jesu werden Dämonen ausgetrieben. Im Namen Jesu
werden Kranke geheilt. Im Namen Jesu werden auch Bitten erhört. Der
Vater im Himmel kennt diesen Namen und liebt seinen Träger. Wer im
Namen Jesu zu ihm kommt, ist der Aufnahme sicher. Im Namen Jesu bitten heißt im Vertrauen auf seine Verdienste
bitten. Er hat für uns genuggetan. Er hat für uns das bittere
Leiden getragen. Er zeigt dem Vater im Himmel seine Wundmale, wenn er für
uns eintritt. Wie könnte der Vater von diesen Spuren einer todesverachtenden
Liebe absehen, wenn Jesus für uns bittet? Im Namen Jesu bitten heißt durch ihn zum Vater treten. Er
ist unser Mittler. Wir legen unsere Bitten in seine Hände, auf dass
er sie dem himmlischen Vater vortrage. Er gilt mehr vor Gott als wir. So
beten wir „durch" Jesus zum Vater. Viele Male in der heiligen Messe richten
wir unsere Gebet zum Vater „durch" Jesus. Er kommt bei Gott besser an als
wir. Im Namen Jesu bitten heißt nach dem Sinne, den Absichten,
den Plänen Jesu bitten. Also für das Werk, dem sein Leben und
Sterben gegolten hat. Für sein Reich und seine Kirche. Im Namen Jesu
bitten heißt Jesu Anliegen uns zu eigen machen und dem Vater vortragen.
Dass seine Ehre gefördert werde. Dass sein Reich komme. Dass sein
Wille geschehe. Dass alle Menschen zu ihm finden. Eine Dame aus unserer Gemeinde hat begriffen, was es heißt:
für die Anliegen Jesu bitten. Sie bestellte bei mir zehn heilige Messen
in folgender Intention: für Priester nach dem Herzen Jesu, für
den Heiligen Vater, für die Missionare in aller Welt, für den
Frieden auf Erden, für das ehedem auserwählte Volk Israel, für
die Ungläubigen und Abergläubigen, für die Hunger und Not
leidenden Menschen, für die Schwerkranken und Sterbenden, für
die Jugend, für unser Vaterland. Wahrhaftig, diese Dame hat begriffen,
was es heißt: im Namen Jesu bitten. Im Namen Jesu bitten heißt in seiner Absicht bitten, nach
seinem Willen bitten. Nicht Gott soll in unseren Willen einstimmen, sondern
wir sollen in Gottes Willen einstimmen. Im Namen Jesu bitten heißt
also: gemäß seiner göttlichen Anordnung bitten, gemäß
der rechten Wertordnung, gemäß der göttlichen Heilsveranstaltung
bitten. Gottes oberstes Ziel für uns ist: uns zum Heil zu führen.
Diesem Ziel ist alles andere untergeordnet. Wir dürfen unsere täglichen
Anliegen vor Gott bringen. Er selbst hat uns ja gelehrt, um das tägliche
Brot zu beten. Aber bei all diesen Bitten gilt es die Ordnung des Heils
zu beachten. Im Namen Jesu bitten heißt in seiner Gesinnung bitten. Welches
ist seine Gesinnung? Es ist die Gesinnung vom Ölberg: Nicht wie ich
will, sondern wie du willst. Das heißt: Wir müssen in Ergebung
bitten. Gott bleibt der Herr, auch gegenüber allen Bittgebeten. Er
lässt sich nicht zwingen. Er regiert in souveräner Freiheit.
Er lässt sich seine Entschlüsse nicht vorschreiben, auch nicht
vom Beter. Im Namen Jesu bitten heißt: in Geduld auf die Erhörung
warten. Gott bestimmt die Zeit der Erhörung. Seine Uhr schlägt
anders als die unsere. Wer im Namen Jesu bittet, darf rufen und flehen,
er darf beharrlich und zuversichtlich beten, aber er muss auch warten können.
Gott lässt sich nicht vorschreiben, wann er eingreift. Gott hilft
immer, wenn wir im Namen Jesu bitten, aber er kommt oft eine Viertelstunde
oder ein Vierteljahr später, als wir meinen, dass er kommen müsste,
um unseren Glauben zu erproben. Im Namen Jesu bitten heißt endlich: ihm die Art der Erhörung
überlassen. Gott erhört die im Namen Jesu vorgebrachten Gebete,
aber er erhört sie auf seine Weise. Wir sind blind oder kurzsichtig,
Gottes Auge ist hell, schaut weiter und tiefer als unser Auge. Er weiß
besser als wir, warum unsere Wünsche nicht in Erfüllung gehen
können. Er kann nicht gewähren, was uns zum Schaden ausschlagen
würde. Er muss uns versagen, was uns Unheil brächte. Das also heißt: im Namen Jesu bitten. Kein Gebet, das in seinem
Namen vor den himmlichen Vater gebracht wird, ist vergebens. Gott
steht zu den Verheißungen seines Sohnes. Hören wir nicht auf,
zu rufen und zu flehen. In den großen Anliegen Gottes und der Kirche.
In den vielen Sorgen und Nöten unseres eigenen Lebens. Bitten wir
Gott um Erhörung. Aber bitten wir stets im Namen Jesu.