In dem nachfolgenden wahrheitsgemäßen Bericht geht es
darum, wie man durchs Beten zurück zur Freude findet, wie durch das
enorm kräftige Rosenkranzgebet wieder Freude und Jubel aufkommt, ja
sich sogar Wunder ereignen, wie man sie nie erwartet hätte: Es wird
aufgezeigt, wie man durchs Beten glücklich wird - trotz aller äußerlichen
Umstände, die einem dann nichts mehr anhaben können oder uns
nur noch "am Rande berühren", ohne daß wir irgendeinen Schaden
erleiden!
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"Liebe Muttergottes, hilf
unserem Vati!"
Bei der letzten Station war ein Herr in den Zug gestiegen. Ihm gegenüber,
auf dem anderen Fensterplatz, saß eine Dame, offenbar aus Frankreich,
wie er aus dem Buch sah, in dem sie eben las.
Gerne hätte der quecksilbrige Südfranzose ein heimatliches
Gespräch zum Zeitvertreib angeknüpft, aber er war zu wohlerzogen,
um lästig zu fallen. Es würde sich schon Gelegenheit bieten,
ins Plaudern zu kommen ... Die Dame öffnete ihre Handtasche, um ihr
Taschentuch herauszunehmen. Ein Gegenstand fiel zu Boden. Der Herr hob
ihn auf. Es war ein schöner Rosenkranz mit elfenbeinernen Perlen.
Etwas verlegen reichte er ihn hinüber. „Sind Sie auch Franzose?" Der
Herr bejahte. Das Eis war gebrochen.
„Wie leichtsinnig von mir! Der Rosenkranz bedeutet mir unendlich
viel. Mein Mann hat ihn mir vor dem letzten Krieg von einer Männerwallfahrt
nach Rom mitgebracht. Er ist vom Heiligen Vater geweiht. Wir Bretonen sind
dem Glaubenserbe unserer Väter verbunden geblieben. Und so wurde dieser
Rosenkranz beim gemeinsamen Morgen- und Abendgebet benutzt. Seine Perlen
gingen durch die Finger meines Mannes. Sie gingen durch meine Finger, wenn
er auf Reisen war und ich mit unserem Töchterchen allein betete."
Sie schwieg, in die Erinnerung versunken. Dann stiegen Bilder aus der Vergangenheit
vor ihr auf und wurden Worte: „Mein Mann hatte einen wichtigen Posten in
der Widerstandsbewegung. Ich hatte ihn oft gebeten, auf diese gefährliche
Betätigung um unseretwillen zu verzichten. Meine Nächte waren
ein einziger Alpdruck. Immer wieder träumte ich von seiner Verhaftung
mit allen ihren schauerlichen Folgen. Sehen Sie -und dann kam die Nacht,
in der meine Träume Wirklichkeit wurden. Es war ausgerechnet die Nacht
der Landung der Alliierten in der Normandie. Wir in der Bretagne wußten
noch nichts. Unser Haus liegt am Meer, ich konnte in dieser Nacht nicht
schlafen. Ich trat hinaus auf den Balkon. Ich war hellwach. In der Ferne
klang plötzlich Motorengeräusch auf. Das Brummen wurde deutlicher.
Scheinwerfer tasteten die Landschaft ab. Und das Motorengeräusch
kam näher ... und plötzlich gingen die Scheinwerfer aus.... Angsterfüllt
trat ich ins Schlafzimmer zurück und weckte meinen Mann: „Pierre,
Motorengeräusch. Es kommt näher. ... Vielleicht holen sie dich
... „ Schlaftrunken wehrte Pierre ab. „Du mit deiner ewigen Angst. MeineKameraden
verraten mich nicht ... „ Mich trieb es auf den Balkon zurück. Es
war zu spät. Das Summen der Motoren war verstummt, aber ich spürte
es mehr, als ich es sah: Das Haus war umstellt. Unser Haus. Am ganzen Leibe
zitternd stürzte ich ins Schlafzimmer zurück. „Sie sind da. ..."
„Wer ist da?" fragte Pierre, immer noch schlaftrunken. - „Die Deutschen!..
Die Deutschen!..."
In diesem Augenblick wurde die Haustür erbrochen. Ich flüchtete mich ins Bett und klammerte mich an meinen Mann. Er wollte die Pistole aus dem Versteck im Nachttisch holen. ... Ich hielt ihn fest; es wäre sinnlos gewesen. ... Im ganzen Haus rumorte es. Sie durchsuchten die Zimmer nach Waffen. Und dann ging die Schlafzimmertür auf. Die Scheinwerfer von großen Taschenlampen flammten auf, huschten über uns hinweg. Jemand schaltete die Deckenbeleuchtung ein. Pistolen richteten ihre dunklen Läufe auf uns. Vor der Tür standen weitere Soldaten, die Maschinenpistolen im Anschlag. - Ein deutscher Offizier rief in tadellosem Französisch meinen Mann an: „Sie sind verhaftet. Stehen Sie auf und machen Sie sich fertig. Widerstand ist zwecklos." Die Soldaten durchsuchten das Zimmer. Im Nachttisch fanden sie die Pistole. Mein Mann wandte sich an den Offizier: „Mehr Waffen sind nicht im Hause. Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort." Der Offizier sah ihn groß und prüfend an. „Gut", erwiderte er, „dann lasse ich die Betten nicht durchsuchen."
Lisette, unser damals fünfjähriges Töchterchen, war
von dem Lärm erwacht. Das Kind begriff nicht ganz, was sich abspielte.
Aber es sah mit großen Augen auf die fremden Männer, auf den
Vater, der sich mitten in der Nacht anzog, auf die Mutter, die das Kissen
vor ihren Mund preßte, um das Schluchzen zu ersticken. - Pierre trat
an das Bett, neigte sich über mich und küßte mich auf die
Stirne. In seinen Augen las ich den Abschied für immer. Rasch wandte
er sich ab, ging an das Kinderbettchen und beugte sich über Lisette.
Auch sie küßte er auf die Stirne. Sachte machte er die Händchen
los, die sie um seinen Nacken geschlungen hatte. - „Meine Herren, ich stehe
Ihnen zur Verfügung."
Da geschah etwas völlig Unerwartetes. Lisette, in ihrem Nachthemdchen,
war aus ihrem Bettchen gesprungen und hatte den Rosenkranz ergriffen, der
auf dem Nachttisch lag. Sie kniete mitten im Zimmer nieder, ließ
die Perlen durch ihre Fingerchen gehen, wie sie es bei uns gesehen hatte
- und betete: „Lieber Gott, hilf unserem Vati." Es folgte ein Vaterunser.
„Liebe Gottesmutter, hilf unserm Vati." Es folgte ein Ave Maria. Die Soldaten
senkten ihre Waffen. Ergriffen starrte alles auf das Kind und den Rosenkranz
in seinen Fingern. Als es fertig war, reichte es ihn dem Vater. Da trat
der Offizier, der gedolmetscht hatte, an die Kleine heran, fuhr mit einer
Hand über das blonde Lockenköpfchen und sprach die Worte, die
wir kaum zu fassen vermochten: „Ich verspreche dir, dein Vater wird bald
wieder zu Hause sein!" Und - unser Vati kam schon am nächsten Tage
heil und gesund zurück. Der Offizier hatte ihn kommen lassen, ihn
an das Gebet seines Kindes und sein Versprechen erinnert und ihm die Freiheit
angeboten, wenn er ehrenwörtlich verspreche, nichts mehr gegen deutschen
Truppen zu unternehmen. Und er hatte gegen das gleiche Ehrenwort noch drei
Kameraden, die vor ihm festgenommen worden waren, mitnehmen dürfen."
-
Schweigend hatte der Mann im Eisenbahnabteil zugehört. Die Erzählung
hatte ihn gepackt. Und nun stellte er die erste Frage: „Kennen Sie diesen
Offizier? Sind Sie mit ihm in Verbindung?" Die Frau lächelte. „Er
hat uns nach dem Krieg geschrieben. Erst da haben wir seinen Namen erfahren.
Und er schrieb, dass dieser geweihte Rosenkranz das Wunder gewirkt habe
und zwar ein doppeltes. Das Kind, das den Rosenkranz betete, habe ihn plötzlich
an seine Mutter erinnert, die ihn als Kind das Rosenkranzgebet gelehrt
und ihm in den Krieg einen geweihten Rosenkranz mitgegeben habe in der
Hoffnung, dass er wieder zum Glauben zurückfinden würde.
Am 13. Februar war seine Vaterstadt Dresden unter dem feindlichen
Bombenhagel in Schutt und Asche gesunken. ... Unter den Toten war seine
Mutter. Als er nun aus langer schwerer Gefangenschaft in den freigebliebenen
Teil seines Vaterlandes zurückkehrte, hatte er Heimat und Mutter verloren,
aber den Glauben wiedergefunden. ..." „Und sind Sie sich nie mehr begegnet
seit jener Nacht?" forschte der Mann weiter. - „Mein Mann ist eben zu Besuch
bei ihm. Und er bat mich, ebenfalls zu kommen und den Rosenkranz mitzubringen.
Als Werkzeug des doppelten Wunders wollen wir ihn ihm schenken...."
Peter M. Schaad in „ Trierer Bistumsblatt'"
Aus: Vertrau auf die Mutter, A.M. Weigl, Grignon Verlag
In:
(Quelle: St. Athanasius Bote, Nr. 3-2020,
S. 17-19, Mainburg) - LINK:
athanasius.de
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