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Der
Rosenkranzmonat
Zwei Monate des Jahres sind der Verehrung der Allerseligsten Jungfrau
Maria in besonderer Weise geweiht, der Monat Mai und der Monat Oktober;
der Mai als die Zeit der Blüte und der Oktober als die Zeit der Ernte.
Im Mai schmücken wir die Altäre und Bilder Mariens mit den schönsten
Blumen, die der Frühling hervorbringt, im Oktober winden wir der Mutter
im Himmel einen anderen Kranz, dessen Rosen unvergleichlich wertvoller
sind als die schönsten Blüten, die die Natur hervorbringt, den
Rosenkranz.
Im elften und zwölften Jahrhundert in Mönchskreisen entstanden,
nahm der Rosenkranz im 15. Jahrhundert unsere heutige Form an. Dominikaner
und Jesuiten, unter ihnen vor allem der heilige Canisius, setzten sich
für die Verbreitung des Rosenkranzgebetes ein. Der im Zeichen des
Rosenkranzes am 7. Oktober 1571 zu Lepanto über die Türken errungene
Sieg gab dem Rosenkranzgebet neuen Auftrieb. Leo XIII. verfasste 16 apostolische
Schreiben über den Rosenkranz. Er war es auch, der im Monat Oktober
den täglichen Rosenkranz angeordnet hat. Seine Nachfolger Pius XL,
Pius XII. und Johannes XXIII. forderten das Rosenkranzgebet ebenfalls durch
päpstliche Rundschreiben.
In Osterreich verdankt das Rosenkranzgebet dem Wiener Franziskaner
Pater Petrus Pavlicek, der im Jahre 1947 in Wien den Rosenkranz-Sühnekreuzzug
ins Leben rief, neue Impulse. Worin aber liegt der überzeitliche Wert
dieser einzigartigen Gebetsform, die vom mündlichen Gebet wie von
selbst zum betrachtenden Gebet hinführt?
I. Rosenkranz -
Bekenntnis zum Glauben, Verehrung
der Muttergottes
Fürs Erste besteht der Rosenkranz aus den Gebeten, die dem
gläubigen Christen am allerteuersten sind. Es beginnt mit dem Apostolischen
Glaubensbekenntnis, das die Christen aller Jahrhunderte, aller Völker
und Sprachen eint. Es ist das Bekenntnis des gläubigen Christen zu
Gott dem Vater, der uns das Leben gegeben hat, zu Gott dem Sohn, der uns
erlöst, und zu Gott dem Heiligen Geist, der uns geheiligt hat.
Dem Glaubensbekenntnis folgt das Vaterunser, das wir das Gebet des
Herrn nennen, weil Christus selbst es uns gelehrt hat, das wir gläubige
Christen überhaupt beten können. Von keinem anderen Gebet können
wir so sehr sagen, dass es im Sinne Christi sei, wie von diesem Gebet.
Es besteht aus den Bitten, die uns der Herr selbst in den Mund gelegt hat.
Es zeigt uns, um was wir bitten und wie wir beten sollen. Damit aber trägt
es auch die göttliche Bürgschaft in sich, dass keine dieser Bitten
unerhört bleibt und ins Leere geht.
An das „Vaterunser" schließen sich die „Gegrüßet
seist du, Maria" an. Es ist der Gruß, den der Erzengel Gabriel der
seligsten Jungfrau in dem Augenblick entbot, als der himmlische Vater der
auserwählten Mutter unseres Erlösers das Kostbarste anvertraute,
das die Welt je tragen durfte, seinen eingeborenen Sohn. Was könnten
wir Besseres tun, als unserer himmlischen Mutter mit denselben Worten all
das anzuvertrauen, was uns lieb und wert und heilig ist? Und was könnte
geziemender sein, als diesem englischen Gruß die Worte anzufügen:
Heilige Maria, Muttergottes, bitte für uns Sünder, jetzt und
in der Stunde unseres Todes? Nirgends bekennen wir leichter und lieber
unsere Sündhaftigkeit ein als vor dem Bilde jener reinsten Jungfrau,
die die Mutter unseres Erlösers und unsere Mutter ist.
II. Rosenkranz -
Geheimnisse des Lebens unseres
Herrn
Fürs Zweite stellt uns der heilige Rosenkranz all die großen
Geheimnisse des Lebens unseres Herrn vor Augen. Im freudenreichen Rosenkranz
betrachten wir jene Geheimnisse des Lebens Jesu, die unsere Verbundenheit
mit dem Herrn am schönsten zum Ausdruck bringen. In diesen Geheimnissen
spüren wir, wie nahe uns der Herr ist, der durch seine Menschwerdung
einer der Unsrigen geworden ist, unser Menschenleben auf sich genommen
und unser Menschenschicksal mit Freud und Leid geheiligt hat. Wir spüren
aber auch, wie nahe wir dem Herrn sind und dass unser Leben als gläubige
Christen Nachfolge Jesu sein und bleiben muß.
Im schmerzhaften Rosenkranz treten uns die Geheimnisse des bitteren
Leidens und Sterbens Jesu vor Augen, das der Herr aus Liebe zu uns Menschen
auf sich genommen und wodurch er uns erlöst hat. Wo sollen wir in
allem Leid und in aller Not unseres Lebens Trost und Hilfe suchen, wenn
nicht beim Herrn, der uns durch sein Leid und seinen Tod erlöst hat?
Wo sollen wir besser verstehen lernen, dass Gott alles Leid und alle Not
in unserem Leben und im Leben der Menschheit nur zulässt, weil er
weiß, dass auch unser Leid Erlösung bewirken wird, wenn wir
es im Geiste Jesu auf uns nehmen?
In den Geheimnissen des glorreichen Rosenkranzes denken wir an die
Auferstehung des Herrn, seine glorreiche Himmelfahrt und die Ausgießung
des Heiligen Geistes und werden uns der Bedeutung dieser Geheimnisse für
unser eigenes Leben bewusst. Denn die Auferstehung und Verherrlichung des
Herrn verbürgt auch unsere eigene Auferstehung und unsere einstige
Teilnahme an der Herrlichkeit Christi.
Damit aber bedeutet jeder Rosenkranz ein Versenken in jene Geheimnisse
unseres Glaubens, die unser Leben zutiefst mit Christus verbinden, die
uns den Sinn unseres Lebens erschließen, uns allen Kampf und alles
Leid unseres Lebens in die Erlösung hineinstellen lassen, die sich
im Leben der Herrlichkeit im Himmel erst voll auswirken wird.
III. Rosenkranz -
Leben und Bedeutung Mariens
Der Rosenkranz ist uns aber auch deshalb so lieb und teuer, weil
er uns auch das ganze Leben und die Bedeutung Mariens, der Mutter Jesu
und unserer Mutter, vor Augen stellt. Das Leben des Herrn war vom ersten
Augenblick seines irdischen Daseins bis zu seinem Tode am Kreuze, ja bis
ins Pfingstfest hinein, mit Maria, seiner Mutter, verbunden. Maria sollte
die Mutter des in seiner Kirche fortlebenden Christus ebenso sein, wie
sie die Mutter des irdischen Jesus gewesen war. Freud und Leid des Lebens
Mariens, ihre Teilnahme am Erlösungstode Jesu wie an seiner Verherrlichung,
treten uns in den Geheimnissen des Rosenkranzes lebendig vor Augen. Ihr
Leben war ein einziger Dienst an ihrem göttlichen Sohn, der gekommen
ist, um die Menschheit zu erlösen. Deshalb bedeutet ihre Mutterschaft
die innigste Anteilnahme am ganzen Erlösungswerk Jesu Christi. Wie
die Erlösung der Menschheit durch den Tod Jesu am Kreuze grundsätzlich
vollzogen war, die Früchte der Erlösung aber der Menschheit erst
im Verlauf jener Zeit, die wir die Zeit der Kirche nennen, zuteil werden,
so konnte sich auch der Anteil Mariens an der Erlösung nicht darin
erschöpfen, dass sie beim Tode Jesu unter seinem Kreuze stand. Ihre
Mitwirkung an der Erlösung geht weiter. So wie sie Christus der Menschheit
im Allgemeinen bringen durfte, so führt sie jeden, der sich ihr anvertraut,
zu ihrem göttlichen Sohn.
Mehr als alle gelehrten Ausführungen aber hat das gläubige
Volk die tausendmal erfahrene Hilfe Mariens überzeugt. Die ungezählten
Votivtafeln an allen Wallfahrtsstätten Mariens reden eine beredte
Sprache.
Und eben dies ist es, was uns den Rosenkranz
so lieb und teuer macht: Dass wir alles Leid und alle Freude unseres Lebens,
alle Sorgen und Anliegen, die Menschen, die uns am allernächsten stehen,
der Mutter im Himmel anvertrauen können, in der Gewißheit, dass
sie unsere Bitten dem Herrn vorträgt und dass ihr Gebet nie unerhört
bleibt.
Jedes Gesätzchen vom Rosenkranz, aber auch der Rosenkranz selbst,
schließt mit einem Ehre sei dem Vater und dem Sohne und dem Heiligen
Geiste. Jedes Gloria patri aber erinnert uns daran, daß es die Aufgabe
unseres Lebens ist, es zu einem einzigen Lobpreis des Allmächtigen
Gottes zu machen, damit es einmal einmünden könne in die Herrlichkeit
des Dreieinigen Gottes.
P. Dr. Konstanz Faschian O.F.M.
(Quelle: "Dienst am Glauben",
Heft 4 - 2015, S. 116-119, A-6094 Axams)